Wer hat Angst

Poetry Slam Text von Philipp Litschel

Als ich 12 war, haben sie mir mein Lieblingsspiel verboten
Wer hat Angst vor‘m schwarzen Mann
Das hat mich echt gut mitgenommen, hab nicht verstanden, warum
Ich bin immer vor‘m Kaminkehrer weggelaufen, andere wie’s aussieht nicht
Hat mich bestimmt beschäftigt bis ich 14 war, mit 14 waren dann zum Glück andere Dinge wichtiger
Mit 14 wollte ich nichts mehr als dieses eine Mädchen betören
Sie sollte zu mir gehören
Mir ihre ewige Liebe schwören

Nein, keine Angst, ich mach’s kurz – ihr war’s schnurz
Drum logischer Schluss, mit 18 wollte ich erstmal die Erde zerstören
Mit 23 wollte ich die Menschheit retten
Mit 26 vielleicht noch die Netten
Jetzt bin ich 31 und du sagst mir, ich denke nicht mehr sozial genug
Ich sei so unemotional, ich seh nur zu statt zu tun
Nein
Ich denke dreihundertmal sozialer als du
Bin dabei nur sehr ruhig, rational, aber du
Du willst einen Knall?
Du willst Bang Bang?

Okay
Dann zuerst fick dich und diesen Poetry Slam Slang
Ja, jetzt wird’s beleidigend
Und nein, ich werd‘ mich nicht verteidigen
Zu meinem Urteil gibt’s Fakten und ich bin zwar nicht Kool Savas, aber auf die kannst du mich trotzdem vereidigen
Es wird Zeit mal intellektuell ein bisschen über die Grenze zu rutschen
Anstatt sich immer nur schön gegenseitig beim Texten die –
Kutten zu reiben
Das Maul zu zerreißen

Afrika trocknet aus, Scheiße
Was glaubst du, was passiert, wenn’s noch zwei Grad wärmer wird?
Wälder werden zu Savannen, Savannen zu Wüsten
Was glaubst du, was passiert, wenn der erste Warlord krepiert
Weil’s dich nicht interessiert, wer den Klimawandel zuerst verliert?
Der Sturm auf die Bastille – und die Bastille, das sind wir
Die kommen uns holen
Nein, Spaß, machen wir uns doch keine Illusionen
Spar dir deine rechten Parolen
Hart auf hart kommen die doch nichtmal in die Nähe von Europas Toren
Die meisten kommen nicht mal weg und verhungern und verdursten einfach wie ihre Ahnen zuvor

Wir diskutieren über eine Obergrenze bei einer Million
Was machen wir mit den 100 Millionen, die uns bald drohen?
Ich mein‘, Grundhaltung klar, nehmen wir auf, das schaffen wir schon
Aber das ist doch alles nur ein fucking Symptom
Wir scheißen dem Rest der Welt schon seit Äonen ins Haus
Nicht nur mit Drohnen, nicht nur Kanonen, auch mit gefräggtem Ozon
Wo wird das Klima zuerst unerträglich?
In der Äquatorregion

Und was glaubst du, was passiert, wenn Afrika fällt?
Glaubst du wirklich, dass die Maschine dann hält?
Ein Drittel der Erde kaputt, ein Drittel der Menschheit gleich mit, tot oder geflohen, aber was ist und bleibt der Faktor, der zählt?
Es dreht sich doch wieder nur um ‚Wer hat den Beutel, wer hat das Geld‘
Der Trailerpark ist doch heute schon die neue Dritte Welt
Kapitalismus im Endstadium, auch für dein Leben wird ein Scheck ausgestellt
Es wird Zeit, dass du endlich begreifst, die Ressourcen der Erde sind endlich und die Menschheit unserer Breiten leider immer noch nicht bereit, den Konsum weit genug zurückzuschrauben
Drum werden die anderen dafür dran glauben
Hier, ich tret‘ es dir breit

1 Million Menschen weltweit und wir jetten jede Woche nach LA und wieder heim, was soll schon sein?
1 Milliarde – wieviel Fleisch darf’s denn sein? Zum Frühstück ein Steak, gebettet auf Mett, erster Gang Rind, zweiter Gang Schwein
6 Milliarden und alle fahren Bahn
20 Milliarden und alle vegan
100 Milliarden und wir brauchen die Matrix, alle schön in Stasis und jeder hat nix außer ’nem Hard Fix am Kleinhirn
Ist technisch gesehen ‘ne Lösung, aber wer will schon sein Hirn so einsperr‘n

Die Regeneration der Erde ist begrenzt und bestimmt doch dadurch das Maximum unserer Anzahl mal unserem Verbrauch

Was bestimmen wir also indirekt mit unserem Verbrauch?
Wir bestimmen, wie viele Menschen sind auf der Erde erlaubt
Geht der Verbrauch rauf, geht jemand drauf
Jeder Benz, den du kaufst, jede Kippe die du rauchst,
Das ist nämlich auch Teil der Demokratie, an die du doch glaubst
Es zählt nicht unbedingt nur, wer ist besonders schlau,
Es zählt vor allem, wer begeistert die Crowd
Deine Stimme genau so viel wert, wie die von jedem Otto im Bau
Was glaubst du, was der will?
Was glaubst du was der will?
Live fast, die young
Und in der Masse gilt das für die Erde halt auch

Worauf will ich hinaus?
Scheiße, wir leben hier alle im gleichen Haus
Der eine will seine Rente mit seinen Enkeln drin verbringen
Der andere will Parties
Und die möglichst laut
Mit Bangern, Koks, Nutten und pöbelnder Crowd
Luxus deluxe auf Teufel komm raus
Wenn der jetzt aber macht wie er will, ist deine Rente Geschichte, eine der Parties wird das Gelände vernichten
Die Garage gesprengt, der Keller geflutet, da leben jetzt Flundern
Der Garten ruiniert, Müll türmt sich im Bad
Im Treppenhaus wird uriniert, sie schießen Löcher ins Dach
Mit jeder Feier geht ein Zimmer mehr den Bach runter
Ist die Party zu hart, gibt das Fundament nach
Hör auf dich zu wundern

Wenn er nicht auf dich hört, bleiben dir genau zwei Optionen
Zwei Optionen
Entweder du nimmst es in Kauf
Feierst halt mit und hältst dann brav dein Maul
Oder du stehst auf, gehst raus, wirst laut, lauter als er, frecher als er, zwingst ihn bringst ihn dazu und wenn er wirklich nicht will
Schmeißt
Du
Ihn
Raus

Also
Freunde
Wer hat Angst vor‘m reichen Mann
Denn wenn da niemand kommt
Dann bringt er alle um
Und mit den Ärmsten fängt er an

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