Der Gram

Poetry Slam Text von Mira Lou

Ich erzähl euch die Geschichte von einem, den ihr kennt,
er lebt im Wald auf grünem Pergament.
Er ist braun und lebt in Deutschland
Und schon das ganz alleine macht die Sache interessant.
Habt ihr ihn erkannt, wisst ihr, wen ich meine,
hat keine Nase und spindeldürre Beine
er ist kein Star und hat den Bogen überspannt
meine Damen und Herrn:

Der Gram

Also,

Es war einmal ein Wald.

Ein ganz gewöhnlicher Wald. Hier ein Baum, da ein Baum. Typischer Waldboden, Vogelgezwitscher und so weiter.

Auf einer kleinen Waldlichtung, voller Wildblumen, jeder Menge Insekten, einem kleinen Bach, der dort entlang floss, lebte ein Wesen.

Es hatte braunes zotteliges Fell, war kugelrund, nur spindeldürre Arme und Beine ragten aus seinem Körper. Sein Gesicht war umrahmt von Boshaftigkeit. Die Augenbrauen waren so dicht an den Augen, dass es niemals nett aussah. Es hatte einen großen Mund, voller leicht angefaulter, spitzer Zähne.

Es sah aus wie eine leicht angeschimmelte Frikadelle, deren Salzlakenkäsefüllung aus allen Seiten platzen wollte, sobald sich dieses Wesen seiner liebsten Beschäftigung widmete, dem Grämen.

Es grämte sich um alles und jeden.

„AUA, dieser verdammte Idiot!“ schrie es durch die ganze Waldlichtung. „Dieser kleine Arsch von Igel hat schon wieder einen seiner Kackstachel hier verteilt, ich raste aus!“

Oder:

„Pfui Teufel, schon wieder so ein abartiges ausgekotztes Gewölle von der Eule, dieser alten Federfresse!“

Oder:

„Halt dein scheiß Brunftmaul, du geiler Bock!“ schrie es in den Morgenstunden, als der Hirsch anfing zu grölen.

Es hasste alles und jeden und wollte partout mit nix und niemandem etwas zu tun haben. Die Waldtiere mieden seine Gegenwart und machten meist einen großen Bogen um dessen Waldlichtung, um sich dieser Wut zu entziehen. Früher hielten sich viele Tiere auf der Waldlichtung auf, aber seitdem das Wesen dort herumwütete, gingen sie nicht mehr hin.

Die Tiere nannten das Wesen „den Gram“!

Eines Tages, als der Gram mal wieder nörgelnd sich dem indischen Springkraut auf seiner Waldlichtung widmete: „Diese scheiß Kanakenpflanze versaut mir den ganzen Boden. Es ist wie die Pest,“ spazierte ein fremdes Tier durch den Wald. Die anderen Tiere wussten nicht, wer oder was es war und woher es kam.

Es sah ein wenig aus wie der Waschbär, aber doch etwas anders. Der Waschbär kam auch nicht ursprünglich aus dem Wald und war vor einigen Jahren erst hergekommen. Er hatte sich aber gut eingelebt und viele Tiere waren mit ihm gut befreundet. Nur der Gram hasste den Waschbären und wollte am liebsten, dass er wieder verschwände aus dem Wald.

Das Tier spazierte zielgerade auf die Waldlichtung des Grams zu. Bevor eines der anderen Tiere es warnen konnte, war es schon angekommen. Es stand am Rande eines kleinen Baumes, als der Gram es erblickte.

„Verpiss dich, du hundekackenhässlicher Fremder!“ schrie der Gram das Tier an. „Hier wohne ich und sonst niemand.“

Das Tier schaute sich um und betrachtete die Waldsiedlung. „Chill ma, hier ist doch genug Platz,“ sagte das Tier.

Der Gram wurde immer wütender: „Geh dahin, wo du herkommst.“

Das Tier schaute den Gram verständnislos an: „Ganz ruhig, dort wo ich herkomm, würde mir das Fell abgezogen werden, kann nicht zurück.“

Der Gram glühte fast vor Wut. „Ich will aber, dass du gehst,“ schrie er.

Das Tier, welches übrigens sich als Marderhund entpuppte,

sagte ganz ruhig „Nein.“

Der Gram fuhr vor Wut aus seiner Haut und schrie: „Geh!“

„Nein.“

„Doch!“

„Nein.“

„Doch!“

„Nein.“

„Doch!“

„Nein.“

… Dem Gram fielen keine Argumente mehr ein und er wendete sich vom Marderhund ab und ging.

Der Marderhund sah sich um und fand einen alten Fuchsbau, den der Fuchs wegen des Grams anscheinend vor langer Zeit schon verlassen hatte. Er machte es sich bequem und schlief ein.

Ein lautes Geräusch ließ den Marderhund aufwachen. Er kroch aus der Höhle und erblickte den Gram. Er trug ein Schild mit sich herum, wo das Gesicht des Marderhundes durchgestrichen drauf war.

„Hass und Tod dem Marderhund, verschwinde jetzt von meinem Grund!“ protestierte der Gram.

Der Marderhund dachte sich auch nur „Wo zur Hölle bin ich hier nur gelandet?“

Die anderen Waldtiere wurden auf den Protest aufmerksam und gingen behutsam in Richtung Waldlichtung. Sie sahen, wie der Marderhund heulend in eine Ecke gedrängt wurde vom Gram.

„Wenn du nicht verschwindest, zieh ich dir dein Fell ab,“ schrie der Gram. Der Marderhund wusste nicht, was zu tun war.

„Oh Gott der Arme,“ sagte das Eichhörnchen.

„Wir müssen ihm helfen,“ sagte der Igel.

„Aber der Gram…,“ sagte die Maus mit zitternder Stimme.

„Das kann doch nicht sein, dass wir alle Angst vor ihm haben,“ sprach die Eule.

„Wir sind mehr!“ sagte der Fuchs.

„Genau,“ sagte der Waschbär und ging entschlossen auf die Waldlichtung.

„Hey Gram, lass den Marderhund in Ruhe,“ rief er.

Der Gram drehte sich um. Seine Augen waren glutrot und seine Zähne fletschte er. „Du hast mir gar nix zu sagen, du gehörst hier genauso wenig hin wie dieser Köter.“

Die anderen Tiere gingen zögerlich auf die Waldlichtung und standen hinter dem Waschbären. Nun stand eine Schar von Tieren dem Gram gegenüber.

„Wir sind mehr! Wir sind mehr!“ schrien sie im Chor und kamen dabei dem Gram immer näher.

Der Gram kochte vor Wut. Sein ganzer Körper fing an zu zittern. Seine Augen glühten und seine Hände waren zu Fäusten geballt. Er fing an laut zu schreien. „Waaaaaaahhhhhhhh!“ –.

Ein großer Knall beschallte den Wald. Die Tiere wussten nicht, was gerade geschehen war.

Der Waschbär sagte: „Da ist wohl einer vor Wut geplatzt.“

Und die Moral von der Geschicht – Fremdenhass zerstört nur dich.

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